Praktische Ratschläge für das tägliche Leben VII

Niemand tut recht, der sich unzweifelhaften Pflichten im Leben entzieht, die auf göttlichem Gebote beruhen. Wer seine Pflichten aber nur erfüllt, weil er glaubt, dass sonst ein Unglück über ihn kommt, oder dass er durch ihre Erfüllung Schwierigkeiten aus seinem Weg räumt, arbeitet um des Lohnes willen. Pflichten sollten einfach deshalb erfüllt werden, weil sie von Gott befohlen sind, der jederzeit auch befehlen kann, sie wieder aufzugeben. Solange die Rastlosigkeit unserer Natur nicht zur Ruhe gebracht ist, müssen wir arbeiten, dabei aber alle Früchte unserer Arbeit der Gottheit weihen und ihr allein die Kraft zuschreiben, in rechter Weise zu wirken. Das wahre Leben des Menschen besteht darin, in Einheit mit dem Höchsten Geiste zu ruhen. Dieses Leben ist nicht durch irgendeine Handlung von uns ins Dasein gerufen worden, es ist eine Wirklichkeit, „die Wahrheit“ und völlig unabhängig von uns. Sich über die Nicht – Existenz von allem, was dieser Wahrheit entgegengesetzt erscheint, klar zu werden, bedeutet einen neuen Bewusstseinszustand und nicht eine Handlung. Die Befreiung des Menschen steht in keinerlei Zusammenhang mit seinen Handlungen. Soweit Handlungen dazu führen, dass wir uns unserer Unfähigkeit klar werden, uns durch sie aus dem beschränkten Dasein zu befreien, sind sie von Nutzen; sobald diese Stufe aber erreicht ist, werden Handlungen eher zu Hindernissen als zu Hilfen. Wer jedoch in Gehorsam gegenüber den göttlichen Geboten wirkt und weiß, dass die Fähigkeit, so zu wirken, eine Gabe Gottes ist und nicht der selbstbewussten Natur des Menschen entspringt, erlangt die Befreiung vom Zwange zu handeln. Dann wird das reine Herz von der Wahrheit erfüllt und das Einssein mit der Gottheit wahrgenommen. Das erste, wovon ein Mensch sich befreien muss, ist die Vorstellung, daß er selbst wirklich irgend etwas tut. Er muss erkennen, dass alle Handlungen sich nur in den „drei Eigenschaften der Natur“ vollziehen und keineswegs in der Seele. Dann muss er alle seine Handlungen im Geist der Hingabe tun, d.h. er muss sie dem Höchsten opfern und nicht sich. Denn entweder muss er sich selbst zum Gott erheben, dem er opfert, oder den anderen wirklichen Gott; der Mensch tut alle seine Handlungen und Bestrebungen entweder für sich selbst oder für das All. Hier liegt die Bedeutung des Beweggrundes. Wenn nämlich jemand auch eine wertvolle Tat zum Nutzen der Menschheit tut oder Wissen erwirbt, mit dem er den Menschen hilft, wenn er dazu nur von der Erwartung bewogen wird, daß er selbst durch diese Taten Erlösung erlangt, dann arbeitet er nur zu seinem eigenen Nutzen und bringt seine Opfer sich selber dar. Er muss darum innerlich dem All hingegeben sein; er muss wissen, dass er nicht der Täter seiner Taten ist, sondern nur ihr Zeuge.
Solange der Mensch in einem sterblichen Körper ist, wird er von Zweifeln beeinflusst, die ihn notwendigerweise befallen. Sie erheben sich, weil er über irgend etwas in Unwissenheit ist. Er sollte darum fähig werden, sie „mit dem Schwert des Wissens“ zu zerstreuen. Sobald er nämlich eine Antwort auf einen bestimmten Zweifel weiß, zerstreut er ihn dadurch. Alle Zweifel kommen aus der niederen Natur und niemals aus der höheren. Je hingebungsvoller er daher wird, desto klarer vermag er das Wissen zu erfassen, das in seiner Sattva- (Güte-)Natur ruht. Denn es heißt: „Ein Mensch, der vollendet in Hingebung ist (oder diese andauernd pflegt), findet im Laufe der Zeit in sich selbst spontan geistiges Wissen.“ Und weiter: „Ein Mensch mit zweifelndem Sinn gelangt weder zum Genuss dieser Welt noch der nächsten (der Deva – Welt), noch erlangt er endgültig Seligkeit.“ Dieser letzte Satz soll die Vorstellung zerstören, wenn schon ein Höheres Selbst in uns sei, so werde dieses, auch wenn wir träge und voller Zweifel sind, über die Notwendigkeit, Wissen zu erlangen, triumphieren, und uns gemeinsam mit dem ganzen Strom der Menschheit zur schließlichen Seligkeit führen.
Wahres Gebet bedeutet, alle heiligen Dinge betrachten und über sie nachdenken und sie auf uns, auf unser alltägliches Leben und Tun anwenden und dabei den innigen starken Wunsch haben, ihren Einfluss stärker und unser Leben besser und edler zu machen, damit uns etwas Erkenntnis über sie zuteil werde. Alle solchen Gedanken müssen enge verwoben sein mit einem inneren Wissen um das Höchste Göttliche Sein, dem alle Dinge entsprungen sind.
Geisteskultur wird durch Konzentration erworben. Sie muss jeden Tag und jeden Augenblick geübt werden, wenn sie von Nutzen sein soll. Meditation ist als „das Aufhören aktiven äußeren Denkens“ definiert worden. Konzentration bedeutet, das ganze Leben auf ein bestimmtes Ziel auszurichten. Eine hingebungsvolle Mutter zum Beispiel erwägt das Wohlergehen ihrer Kinder und alle Interessen derselben vor allen anderen Dingen; sie sitzt nicht den ganzen Tag da, um starr über eine einzelne bestimmte Art dieser Interessen nachzudenken. Das Denken hat in sich selbst eine zeugende Kraft; wenn es beständig bei einer Vorstellung gehalten wird, wird es von ihr gefärbt, und alle Korrelate dieser Vorstellung entstehen sozusagen innerhalb des Verstandes. Daher erlangt der Mystiker Wissen über jeden Gegenstand, über welchen er in ausdauernder fester Konzentration nachdenkt. Hierin liegt die Erklärung für die Worte Krischnas: „Denke beständig an mich; verlasse dich auf mich allein, und du wirst sicherlich zu mir gelangen!
Das Leben ist der große Lehrer: es ist die große Offenbarung der Seele, und die Seele offenbart das Höchste. Darum sind alle Methoden gut, und alle sind nur Teile des großen Zieles, der Hingebung. „Hingebung ist Erfolg im Handeln; sagt die Bhagavad Gita. Die psychischen Kräfte müssen, wenn sie kommen, auch benützt werden, denn sie offenbaren Gesetze. Aber ihr Wert darf nicht überschätzt werden, und die Gefahren, die in ihnen liegen, dürfen nicht missachtet werden. Wer sich auf sie verlässt, gleicht einem Menschen, der sich schon dem Gefühl des Stolzes und Triumphes hingibt, wenn er erst den ersten Rastplatz auf dem Wege zu den Bergesgipfeln erreicht hat, die er erklimmen will.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben VI

Es ist ein ewiges Gesetz, dass der Mensch nicht von einer Kraft erlöst werden kann, die außerhalb seiner selbst liegt. Wenn dies möglich gewesen wäre, dann hätte schon vor langen Zeiten ein Engel die Erde besuchen, himmlische Wahrheiten verkünden und durch Manifestation von Fähigkeiten geistiger Natur dem Bewusstsein der Menschheit tausend Tatsachen beweisen können, die ihr unbekannt sind.
Ein Verbrechen kann ebenso wirklich im Geiste begangen werden wie durch Handlungen des Körpers. Wer aus welchem Grunde immer einen anderen hasst, wer sich an Rache erfreut, wer ein Unrecht nicht verzeihen will, ist voll von Mordgeist, mag auch kein anderer Mensch etwas davon wissen. Wer sich vor falschen Glaubensbekenntnissen beugt und auf das Gebot irgend einer Einrichtung hin sein Gewissen unterdrückt, lästert seine eigene göttliche Seele, und dadurch „nennt er den Namen Gottes eitel“, auch wenn er niemals einen Eid gesprochen hat. Wer von Begierden erfüllt ist und der bloßen Lust der Sinne frönt, gleichgültig, ob innerhalb oder außerhalb ehelicher Beziehungen, ist der wahre Ehebrecher. Wer irgend einem seiner Mitmenschen das Licht, das Gute, die Hilfe oder die Unterstützung versagt, die er ihm vernünftigerweise zu geben vermöchte, und nur für die Ansammlung materieller Dinge zu seiner eigenen persönlichen Befriedigung lebt, ist der wirkliche Räuber. Und wer durch Verleumdung oder irgend eine andere Art falscher Darstellung seinen Mitmenschen den kostbaren Besitz ihres guten Rufes entwendet, ist in nicht geringerem Maße ein Dieb, und zwar ein Dieb von der übelsten Sorte.
Wenn die Menschen sich zu Ehrenhaftigkeit gegenüber sich selbst und zu wohlwollender Gesinnung gegeneinander durchringen könnten, würde eine gewaltige Veränderung in ihren Wertmaßstäben, betreffend das Leben und die Dinge dieses Lebens, eintreten.

ENTFALTE DEINE DENKFÄHIGKEIT.
Bemühe dich, indem du die ganze Kraft deiner Seele zusammenfasst, das Tor deines Verstandes gegenüber allen wandernden Gedanken zu verschließen, und gestatte nur jenen Gedanken einzutreten, die geeignet sind, dir die Unwirklichkeit des Sinnenlebens und den Frieden der inneren Welt zu offenbaren. Denke Tag und Nacht über die Unwirklichkeit deiner Umgebung und deiner selbst nach. Das plötzliche Auftauchen böser Gedanken ist weniger schädlich als das von müßigen und gleichgültigen Gedanken. Denn gegenüber den bösen Gedanken bist du ständig auf der Hut, und da du dich entschlossen hast, sie zu bekämpfen und zu besiegen, hilft dir diese Entschlossenheit die Kraft des Willens zu entfalten. Gleichgültige Gedanken hingegen dienen nur dazu, die Aufmerksamkeit abzuziehen und Kraft zu vergeuden.
Die erste große grundlegende Täuschung, welche du überwinden musst, ist die Gleichsetzung deiner selbst mit dem physischen Körper. Fange an, von diesem Körper nur als von dem Hause zu denken, in dem du für eine bestimmte Zeit zu leben hast, dann wirst du seinen Versuchungen nie mehr nachgeben. Versuche auch, durch beharrliche Anstrengungen die hervorstechendsten Schwächen deiner Natur zu überwinden, indem du Gedanken solcher Art entwickelst, dass sie geeignet sind, jede einzelne Leidenschaft zu ertöten. Nach den ersten Anstrengungen wirst du eine unbeschreibliche Leere in deinem Herzen empfinden; fürchte dich nicht, betrachte dies als die sanfte Dämmerung, die den Anfang der Sonne geistiger Seligkeit verkündet.
Traurigkeit ist nichts Böses. Aber klage nicht; scheinbare Leiden und Hindernisse sind oft in Wirklichkeit nur die geheimnisvollen Bemühungen der Natur, dir in deiner Arbeit zu helfen, du musst dich ihnen gegenüber nur richtig verhalten. Betrachte alle Umstände mit der Dankbarkeit eines Schülers. Alles Klagen bedeutet eine Auflehnung gegen das Gesetz des Fortschrittes. Was du vermeiden sollst, sind jene Leiden, die noch nicht gekommen sind. Die Vergangenheit kann nicht verändert oder verbessert werden; was zu den Erfahrungen der Gegenwart gehört, kann und soll nicht gemieden werden. Was aber gemieden werden soll, das sind in gleicher Weise einerseits beunruhigende Vorwegnahmen und Sorgen vor der Zukunft und andererseits alle Handlungen und Gemütsregungen, die dir selbst oder anderen künftiges Leid verursachen könnten.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben V

Lebe weder in der Gegenwart noch in der Zukunft, sondern im Ewigen. Das Riesenunkraut (des Bösen) kann dort nicht blühen; schon der Hauch eines Gedankens an das Ewige löscht diesen Fleck am Dasein aus.
Herzensreinheit ist eine notwendige Vorbedingung, wenn man das „Wissen des Geistes“ erlangen will. Es gibt zwei Hauptmittel, durch welche diese Reinigung erreicht werden kann. Zuerst: jage mit Ausdauer immer wieder jeden bösen Gedanken fort; und zweitens: bewahre Gleichmut in allen Verhältnissen, sei niemals über irgend etwas erregt und gereizt.
Du wirst finden, daß diese beiden Mittel der Selbstreinigung am besten durch Hingabe und Liebe gefördert werden. Wir dürfen nicht müßig dasitzen und keinen Versuch machen, vorwärts zu schreiten, weil wir uns nicht rein genug dazu fühlen. Jeder soll emporstreben, aber er muß es mit dem richtigen Ernst und in der richtigen Weise tun, und der erste Schritt auf dem Wege ist die Reinigung des eigenen Herzens.
Das Denken bedarf jedesmal einer Reinigung, wenn man Zorn gefühlt oder eine Unwahrheit gesagt hat, oder wenn man die Fehler eines anderen ohne Not enthüllt hat, jedesmal, wenn man etwas nur aus Schmeichelei gesagt oder getan hat, oder wenn man jemanden durch Unaufrichtigkeit in Wort oder Tat getäuscht hat.
Wer nach Erlösung strebt, sollte Sinnenlust, Zorn und Gier meiden, er sollte sich eines mutigen Gehorsams gegenüber den heiligen Schriften befleißigen, das Studium spiritueller Philosophie pflegen und Ausdauer in ihrer praktischen Verwirklichung erlangen.
Wer sich von selbstsüchtigen Erwägungen leiten läßt, kann nicht in den Himmel eingehen, denn dort gibt es keine persönlichen Gedanken. Wer nicht an den Himmel denkt, sondern zufrieden ist, dort, wo er steht, der ist bereits im Himmel während der Unzufriedene vergebens nach ihm ruft. Ohne persönliche Wünsche zu sein, bedeutet frei und glücklich zu sein, und das Wort „Himmel“ kann keine andere Bedeutung haben als einen Zustand der Freiheit und des Glückes. Der Mensch, der wohltätige Handlungen aus Hoffnung auf Belohnung ausführt, ist nicht glücklich, wenn er die Belohnung nicht erhält, und sobald er sie erhalten hat, endet sein Glück. Es kann keine bleibende Ruhe und kein bleibendes Glück geben, solange Arbeit ungetan ist; die Erfüllung der Pflicht trägt ihren Lohn in sich.
Wer sich für heiliger hält als einen anderen, wer im geringsten stolz darüber ist, daß er von Laster und Torheit frei sei, wer sich selbst für weise oder irgendwie seinen Mitmenschen überlegen hält, ist unfähig, ein Schüler zu sein. Der Mensch muß wie ein kleines Kind werden, ehe er in das Himmelreich eingehen kann. Tugend und Weisheit sind erhabene Dinge, aber wenn sie Stolz hervorrufen oder ein Gefühl der Getrenntheit von den übrigen Menschen, sind sie nur die Schlangen des Ich, die in einer feineren Form Wiedererscheinen. Aufopferung oder Hingabe des Herzens und seiner Gefühle ist die erste der Regeln; sie bedingt „das Erlangen eines Gleichmutes, der durch persönliche Gefühle nicht erschüttert werden kann“.
Durch Glauben wird das Herz von Leidenschaft und Torheit gereinigt; daraus folgt Herrschaft über den Körper und zuletzt die Unterwerfung der Sinne.
Setze deine guten Absichten stets ohne Verzögerung in die Tat um und gestatte keiner einzigen, ein bloßer Vorsatz zu bleiben. Unser einziges rechtes Verhalten ist aber, die Tat selbst den Beweggrund zur Tat bilden zu lassen und nicht ihren Lohn, uns nicht durch die Hoffnung auf ihre Früchte zu einer Tat anspornen zu lassen und nicht einer Neigung zur Trägheit nachzugeben.
Die Kennzeichen des erleuchteten Weisen sind:
1. Er ist frei von Wünschen und weiß, daß das wahre Ego, der höchste Geist, allein Seligkeit bedeutet, alles andere aber Schmerz.
2. Er ist frei von Anziehung oder Abstoßung gegenüber allem, was ihm begegnet, und er handelt ohne Rücksicht auf vorgefaßte Begrenzungen und Zielsetzungen.
3. Zuletzt erlangt er die Unterwerfung der Sinne, die nutzlos ist ohne die zweite Eigenschaft, ja oft sogar nachteilig, da sie Heuchelei und geistigen Hochmut erzeugt. Aber auch die zweite Eigenschaft ist von wenig Nutzen ohne die erste.
Wer nicht praktischen Altruismus pflegt, wer nicht bereit ist, seinen letzten Bissen mit einem anderen zu teilen, der schwächer oder ärmer ist als er, wer es verabsäumt, seinem Mitmenschen zu helfen, wo immer er ihn leiden sieht, und welcher Rasse, welchem Volk, welchem Glauben immer er angehören mag, wer sich dem Schrei des menschlichen Elends taub zeigt, wer hört, wie ein Unschuldiger verleumdet wird, und ihn nicht verteidigt, als wäre es er selbst, der ist kein Theosoph.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben IV

Der rechte Beweggrund für das Verlangen nach Selbsterkenntnis liegt im Bereich der Erkenntnis und nicht im Bereich des Selbstes. Selbsterkenntnis ist darum ein erstrebenswertes Gut, weil sie Erkenntnis ist, nicht weil sie sich mit dem eigenen Ich befaßt. Haupterfordernis für die Erlangung von Selbsterkenntnis ist darum reine Liebe. Wenn du aus reiner Liebe Erkenntnis suchst, dann wird deine Anstrengungen am Ende Selbsterkenntnis krönen. Die Tatsache, daß ein Schüler ungeduldig wird, ist ein positiver Beweis dafür, daß er nicht aus Liebe strebt, sondern um des Lohnes willen, und dies wiederum beweist, daß er den großen Sieg nicht verdient, der für jene bereit steht, die wirklich aus reiner Liebe wirken.
Der „Gott“ in uns – d.h. der Geist der Liebe und Wahrheit, der Gerechtigkeit und Weisheit, der Güte und Kraft – sollte unsere einzige wahre und bleibende Liebe sein, unser einziger Verlaß in allen Lebenslagen, unser einziger Glaube , dem wir, da er fest steht wie ein Fels, für alle Zeiten vertrauen können, und unsere einzige Hoffnung, die uns niemals enttäuschen wird, wenn auch alle anderen Dinge zugrunde gehen. Er sollte das einzige Ziel sein, das wir zu erlangen suchen, und zwar durch Geduld, indem wir zufriedenen Sinnes warten, bis unser böses Karma sich erschöpft hat und der göttliche Erlöser uns seine Gegenwart in unserer Seele offenbaren kann. Das Tor, durch welches er eintritt, heißt Zufriedenheit; denn wer mit sich unzufrieden ist, der ist mit dem Gesetz unzufrieden, das ihn so gemacht hat, wie er ist. Und da Gott selbst dieses Gesetz. ist, wird Gott nicht zu denen kommen, die mit IHM unzufrieden sind.
Wenn wir anerkennen, daß wir uns innerhalb des Stromes der Entwicklung befinden, dann müssen uns alle Lebensumstände recht sein. Und wenn wie bei der Ausführung von uns geplanter Taten versagen, so sollte gerade das unsere größte Hilfe sein, denn wir können auf keine andere Weise jene Gemütsruhe erlernen, welche Krischna als so notwendig bezeichnet. Wenn alle unsere Pläne Erfolg hätten, würden wir keine Gegensätze kennenlernen. Auch können ja die Pläne, die wir schmieden, in mangelnder Kenntnis gestaltet und daher falsch sein, und die wohlwollende Natur erlaubt uns darum nicht, sie auszuführen. Wir werden wegen dieser unserer Pläne nicht getadelt, aber wenn wir die Tatsache, daß ihre Ausführung unmöglich ist, nicht annehmen wollen, kann uns dies karmische Schuld auflasten. Und wenn wir gar niedergeschlagen sind, dann sind schon dadurch unsere Gedanken weniger kraftvoll. Selbst in einem Gefängnis eingeschlossen, vermag jemand für die große Aufgabe zu wirken. Darum bitte ich euch: entfernt aus eurem Sinn jede Abneigung gegen eure gegenwärtigen Lebensumstände. Wenn es euch gelingt, sie als gerade das zu betrachten, was ihr euch in Wirklichkeit selbst gewünscht habt, dann wird dies nicht nur eure Gedanken, sondern in einer Reflexbewegung auch eure Körper stärken.
Zu handeln und weise zu handeln, wenn die Zeit zum Handeln gekommen ist, und zu warten und geduldig zu warten, wenn es Zeit zur Ruhe ist, setzt den Menschen in Einklang mit den steigenden und fallenden Gezeiten (des Geschehens); so kann er, mit der Natur und ihren Gesetzen im Bunde und mit Wahrheit und Wohltätigkeit als Leitstern, Wunder vollbringen. Unkenntnis dieses Gesetzes führt zu Perioden von unvernünftigem Enthusiasmus einerseits und zu solchen von Niedergeschlagenheit und sogar Verzweiflung andererseits. Der Mensch wird so zu einem Opfer der Gezeiten, während er ihr Meister sein sollte.
„Habe Geduld, o Strebender, wie einer, der weder Versagen fürchtet noch Erfolg erstrebt.“ Angesammelte Energie kann nicht vernichtet werden, sie muß in andere Formen übertragen oder in andere Arten der Bewegung transformiert werden; sie kann auch nicht dauernd untätig bleiben und doch fortfahren, zu bestehen. Es ist nutzlos, einer Leidenschaft widerstehen zu wollen, die wir nicht beherrschen können. Wenn ihre sich ansammelnde Energie nicht in andere Kanäle geleitet wird, dann wird sie wachsen, bis sie schließlich stärker ist als Wille und Vernunft. Um sie zu beherrschen, muß man sie in ein anderes, höheres Strombett leiten. So kann die Liebe zu etwas Niedrigem dadurch geändert werden, daß man sie in Liebe für etwas Hohes verwandelt. Laster kann in Tugend verwandelt werden, indem man das Objekt wechselt. Die Leidenschaft ist blind, sie bewegt sich dorthin, wohin sie gelenkt wird, und die Vernunft ist ein sichererer Führer für sie als der Instinkt. Aufgespeicherter Zorn findet unweigerlich eines Tages einen Gegenstand, auf den er seine Wut entlädt, oder es kommt zu einer Explosion, die für seinen Besitzer selbst zerstörend wirken kann. Und für die Liebe gilt das gleiche. Ruhe folgt einem Sturme nach. Die Alten sagten, die Natur dulde kein Vakuum. Wir können eine Leidenschaft nicht zerstören oder vernichten. Wenn wir sie vertreiben, wird ein anderer Elementareinfluß ihren Platz einnehmen. Wir sollten darum nicht versuchen, das Niedere zu zerstören, ohne etwas anderes an seinen Platz zu stellen, wir sollten vielmehr Niederes durch Höheres ersetzen, Laster durch Tugend, Aberglauben durch Wissen.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben III

Steh zeitig auf, sobald du erwachst, und bleibe nie halb wachend, halb träumend im Bett liegen. Dann bete inbrünstig um die geistige Erneuerung der ganzen Menschheit, daß alle auf dem Pfad der Wahrheit Ringenden durch deine Gebete ermutigt werden und ernster und erfolgreicher wirken möchten. Bete, daß du gestärkt werdest und den Versuchungen der Sinne nicht nachgeben mögest. Mach dir im Geiste ein Bild deines Meisters, wie er in Samadhi versunken ist. Halte das Bild fest vor dir, male es in allen Einzelheiten aus, denke in Ehrfurcht an ihn und bete, daß dir alle Fehler in Handlung und Unterlassung vergeben werden mögen. Dies wird dir die Konzentration sehr erleichtern, dein Herz reinigen, und noch manches mehr. Oder denke über die Mängel deines Charakters nach: vergegenwärtige dir gründlich ihre bösen Wirkungen und den vergänglichen Charakter der Freuden, die sie dir bringen; dann fasse den festen Entschluß, zu versuchen, ihnen das nächste Mal nicht mehr nachzugeben. Diese Selbstprüfung, dieser Vorgang, dich selbst vor die Schranken deines eigenen Gewissens zu bringen, wird in einem ungeahnten Maß deinen geistigen Fortschritt erleichtern.
Während du badest oder dich wäschst, betätige die ganze Zeit den Willen, daß deine moralischen Unreinheiten mit denen des Körpers weggewaschen werden mögen. In deinen Beziehungen zu anderen beobachte die folgenden Regeln:
1. Tue niemals etwas, wozu dich nicht eine Pflicht bindet, d.h. also etwas Unnotwendiges. Bevor du etwas tust, denke darüber nach, ob es deine Pflicht ist, es zu tun.
2. Sprich niemals ein unnotwendiges Wort. Bedenke die Wirkungen, die deine Worte hervorrufen können, bevor du sie äußerst. Gestatte dir niemals, deine Prinzipien um deiner Umgebung willen zu verletzen.
3. Gestatte niemals einem unnotwendigen oder unnützen Gedanken, deinen Verstand zu beschäftigen. Dies ist leichter gesagt als getan. Du kannst deinen Verstand nicht mit einem Schlag zu einem leeren Blatt machen. So beginne damit, schlechte oder unnütze Gedanken dadurch zu vermeiden, daß du deinen Verstand mit der Untersuchung deiner eigenen Fehler und der Betrachtung der vollkommenen Großen beschäftigst.
4. Während der Mahlzeiten betätige deinen Willen dahin, daß die Nahrung richtig verdaut werden und dir einen Körper aufbauen möge, der im Einklang mit deinen geistigen Bestrebungen geartet ist und keine schlechten Leidenschaften und keine bösen Gedanken hervorruft. iß nur, wenn du hungrig bist, und trink nur, wenn du durstig bist, sonst nie. Wenn irgend eine besondere Zubereitung deinen Gaumen anzieht, gestatte dir nicht, dich dazu verführen zu lassen, sie einfach zur Befriedigung deines Begehrens zu genießen. Bedenke, daß der Genuß, den du daraus ziehst, einige Sekunden vorher noch nicht bestanden hat und einige Sekunden danach wieder aufhören wird zu bestehen; daß er ein vorübergehendes Vergnügen ist, daß dieses Vergnügen sich aber zu Schmerz wandeln würde, falls du zuviel davon genießt; daß es nur deiner Zunge Lust bereitet; und daß, wenn es große Mühe machen sollte, solch ein Ding zu erlangen, und du dir dennoch gestattest, dich dazu verführen zu lassen, die Gefahr besteht, daß du unter Umständen vor keiner schädlichen Handlungsweise zurückschrecken würdest, um es zu erlangen; daß es, da es doch andere Dinge gibt, die dir ewige Seligkeit verschaffen können, reine Narrheit ist, deine Neigungen an so ein vergängliches Ding zu heften; daß du weder dein Körper noch deine Sinne bist, und Lust und Schmerz, welche diese zu ertragen haben, niemals dich selbst wirklich beeinträchtigen können, und so weiter. Betätige dieselbe Folge von Argumenten im Falle jeder anderen Versuchung, und, wenn du auch oftmals versagen wirst, so wirst du auf diese Weise doch schließlich sicherer zum Erfolg kommen.
5. Lies nicht viel. Wenn du zehn Minuten gelesen hast, denk ebenso viele Stunden über das Gelesene nach. Gewöhne dich an Einsamkeit. Gewöhne dich daran, mit deinen Gedanken allein zu bleiben. Gewöhne dich an den Gedanken, daß niemand außer dir selbst dir helfen kann, und zieh deine Neigungen schrittweise von allen Dingen zurück.
6. Bevor du einschläfst, bete wie am Morgen. Überblicke deine Taten während des Tages und erkenne, worin du gefehlt hast. Faß den Entschluß, daß du in den gleichen Dingen morgen nicht mehr versagen willst.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben II

Nichts Wertvolleres kann ein Mensch besitzen als ein erhabenes Ideal, dem er beständig zustrebt, nach dem er sein Denken und Fühlen formt und, so gut er kann, sein Leben gestaltet. Wenn er sich so bemüht, mehr zu werden als zu scheinen, muß er seinem Ziele ständig näher kommen. Er wird dies aber nicht ohne Mühe und Kampf erreichen; auch wird der wirkliche Fortschritt, den er macht und dessen er sich bewußt wird, ihn nicht mit Eigendünkel und Selbstgefälligkeit erfüllen, denn wenn sein Ideal erhaben ist und sein Fortschritt echt, wird er sich eher demütiger fühlen als aufgeblasen. Die Möglichkeiten zu noch weiterem Fortschritt und das Erkennen noch höherer Daseinsebenen, die sich vor ihm eröffnen, werden seinen Eifer nicht dämpfen, aber alle Eitelkeit werden sie in 1 hm sicherlich ertöten. Gerade diese Erkenntnis der ungeheuren Möglichkeiten im Leben des Menschen ist aber auch notwendig, um ihn aus seinem Gelangweilt sein aufzuwecken und seine Apathie in waches Interesse zu verwandeln. Sobald das Ziel des Lebens klar wird und seine wunderbare Möglichkeiten gewürdigt werden, wird das Leben so um seiner selbst willen lebenswert.
Der direkteste und sicherste Weg zum Erreichen dieser höheren Ebene ist die Pflege des Grundsatzes der Selbstlosigkeit, sowohl im Denken als auch im Leben. Eng fürwahr ist der Spielraum einer Schau, die sich nur auf das eigene Ich begrenzt und alle Dinge nach dem Grundsatz des Eigennutzes mißt, denn solange die Seele so ich begrenzt ist, ist es für sie unmöglich, irgendein erhabenes Ideal zu erfassen oder sich einer höheren Daseinsebene zu nähern. Die Voraussetzungen für einen solchen Fortschritt liegen mehr innen als außen und sind glücklicherweise von seinen äußeren Lebensumständen unabhängig. Es ist daher jedem die Möglichkeit geboten, von einer Höhe des Daseins zur nächsten fortzuschreiten und so mit der Natur zur Erreichung des offensichtlichen Zieles des Daseins zusammenzuarbeiten.
Wenn wir glauben, daß der Zweck des Lebens bloß darin liegt, unser materielles Ich zufriedenzustellen und es ihm behaglich zu machen, wenn wir glauben, daß materieller Wohlstand das höchste Maß möglichen Glückes verleiht, dann verwechseln wir Hohes mit Niedrigem und halten eine Täuschung für Wahrheit. Unsere materielle Lebensweise ist eine Folge der materiellen Zusammensetzung unserer Körper. Wir sind „Erdenwürmer“, weil wir mit all unseren Wünschen an der Erde haften. Wenn wir uns fähig machen würden, einen Entwicklungspfad zu beschreiten, durch den wir weniger materiell und mehr ätherisch würden, so könnte eine Kultur von wesentlich anderer Art aufgebaut werden. Dinge, welche heute unentbehrlich und notwendig erscheinen, würden aufhören, nützlich zu sein; wenn wir unser Bewußtsein mit Gedankenschnelle von einem Teil der Erdkugel zum anderen verlegen könnten, würden die derzeitigen Nachrichtenmittel nicht mehr erforderlich sein. je tiefer wir in das Materielle versinken, desto mehr materielle Hilfsmittel benötigen wir zu unserer Bequemlichkeit; das Wesentliche, der machtvolle Gott im Menschen jedoch ist nichts Materielles, er ist unabhängig von den Beschränkungen, die dem Stoff auferlegt sind.
Was also sind die wirklichen Notwendigkeiten des Lebens? Die Beantwortung dieser Frage hängt vollkommen davon ab, was wir für notwendig halten. Eisenbahnen, Dampfschiffe u.dgl. sind heute für uns eine Notwenigkeit, und doch haben Millionen von Menschen lange Zeit glücklich gelebt, ohne etwas von dergleichen Dingen zu wissen. Für einen Menschen mögen ein Dutzend Paläste eine unentbehrliche Notwendigkeit sein, für den anderen ist es ein Wagen, für den dritten eine Pfeife und so fort. Aber alle diese Notwendigkeiten sind nur solche, die der Mensch selbst geschaffen hat. Sie machen den Zustand, in dem der Mensch sich jetzt gerade befindet, für ihn angenehm, und verführen ihn dazu, in diesem Zustand zu verweilen und nichts Höheres zu erstreben. Sie können seine Entwicklung sogar hemmen, statt sie zu fördern. Alles Materielle muß aufhören, eine Notwendigkeit für uns zu sein, wenn wir wirklich geistig fortschreiten wollen. Es ist das Begehren nach und die Vergeudung von Gedankenkraft auf die Vermehrung der Freuden des niederen Lebens, was den Menschen daran hindert, in das höhere Leben einzutreten.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

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