Praktische Ratschläge für das tägliche Leben III

Steh zeitig auf, sobald du erwachst, und bleibe nie halb wachend, halb träumend im Bett liegen. Dann bete inbrünstig um die geistige Erneuerung der ganzen Menschheit, daß alle auf dem Pfad der Wahrheit Ringenden durch deine Gebete ermutigt werden und ernster und erfolgreicher wirken möchten. Bete, daß du gestärkt werdest und den Versuchungen der Sinne nicht nachgeben mögest. Mach dir im Geiste ein Bild deines Meisters, wie er in Samadhi versunken ist. Halte das Bild fest vor dir, male es in allen Einzelheiten aus, denke in Ehrfurcht an ihn und bete, daß dir alle Fehler in Handlung und Unterlassung vergeben werden mögen. Dies wird dir die Konzentration sehr erleichtern, dein Herz reinigen, und noch manches mehr. Oder denke über die Mängel deines Charakters nach: vergegenwärtige dir gründlich ihre bösen Wirkungen und den vergänglichen Charakter der Freuden, die sie dir bringen; dann fasse den festen Entschluß, zu versuchen, ihnen das nächste Mal nicht mehr nachzugeben. Diese Selbstprüfung, dieser Vorgang, dich selbst vor die Schranken deines eigenen Gewissens zu bringen, wird in einem ungeahnten Maß deinen geistigen Fortschritt erleichtern.
Während du badest oder dich wäschst, betätige die ganze Zeit den Willen, daß deine moralischen Unreinheiten mit denen des Körpers weggewaschen werden mögen. In deinen Beziehungen zu anderen beobachte die folgenden Regeln:
1. Tue niemals etwas, wozu dich nicht eine Pflicht bindet, d.h. also etwas Unnotwendiges. Bevor du etwas tust, denke darüber nach, ob es deine Pflicht ist, es zu tun.
2. Sprich niemals ein unnotwendiges Wort. Bedenke die Wirkungen, die deine Worte hervorrufen können, bevor du sie äußerst. Gestatte dir niemals, deine Prinzipien um deiner Umgebung willen zu verletzen.
3. Gestatte niemals einem unnotwendigen oder unnützen Gedanken, deinen Verstand zu beschäftigen. Dies ist leichter gesagt als getan. Du kannst deinen Verstand nicht mit einem Schlag zu einem leeren Blatt machen. So beginne damit, schlechte oder unnütze Gedanken dadurch zu vermeiden, daß du deinen Verstand mit der Untersuchung deiner eigenen Fehler und der Betrachtung der vollkommenen Großen beschäftigst.
4. Während der Mahlzeiten betätige deinen Willen dahin, daß die Nahrung richtig verdaut werden und dir einen Körper aufbauen möge, der im Einklang mit deinen geistigen Bestrebungen geartet ist und keine schlechten Leidenschaften und keine bösen Gedanken hervorruft. iß nur, wenn du hungrig bist, und trink nur, wenn du durstig bist, sonst nie. Wenn irgend eine besondere Zubereitung deinen Gaumen anzieht, gestatte dir nicht, dich dazu verführen zu lassen, sie einfach zur Befriedigung deines Begehrens zu genießen. Bedenke, daß der Genuß, den du daraus ziehst, einige Sekunden vorher noch nicht bestanden hat und einige Sekunden danach wieder aufhören wird zu bestehen; daß er ein vorübergehendes Vergnügen ist, daß dieses Vergnügen sich aber zu Schmerz wandeln würde, falls du zuviel davon genießt; daß es nur deiner Zunge Lust bereitet; und daß, wenn es große Mühe machen sollte, solch ein Ding zu erlangen, und du dir dennoch gestattest, dich dazu verführen zu lassen, die Gefahr besteht, daß du unter Umständen vor keiner schädlichen Handlungsweise zurückschrecken würdest, um es zu erlangen; daß es, da es doch andere Dinge gibt, die dir ewige Seligkeit verschaffen können, reine Narrheit ist, deine Neigungen an so ein vergängliches Ding zu heften; daß du weder dein Körper noch deine Sinne bist, und Lust und Schmerz, welche diese zu ertragen haben, niemals dich selbst wirklich beeinträchtigen können, und so weiter. Betätige dieselbe Folge von Argumenten im Falle jeder anderen Versuchung, und, wenn du auch oftmals versagen wirst, so wirst du auf diese Weise doch schließlich sicherer zum Erfolg kommen.
5. Lies nicht viel. Wenn du zehn Minuten gelesen hast, denk ebenso viele Stunden über das Gelesene nach. Gewöhne dich an Einsamkeit. Gewöhne dich daran, mit deinen Gedanken allein zu bleiben. Gewöhne dich an den Gedanken, daß niemand außer dir selbst dir helfen kann, und zieh deine Neigungen schrittweise von allen Dingen zurück.
6. Bevor du einschläfst, bete wie am Morgen. Überblicke deine Taten während des Tages und erkenne, worin du gefehlt hast. Faß den Entschluß, daß du in den gleichen Dingen morgen nicht mehr versagen willst.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben II

Nichts Wertvolleres kann ein Mensch besitzen als ein erhabenes Ideal, dem er beständig zustrebt, nach dem er sein Denken und Fühlen formt und, so gut er kann, sein Leben gestaltet. Wenn er sich so bemüht, mehr zu werden als zu scheinen, muß er seinem Ziele ständig näher kommen. Er wird dies aber nicht ohne Mühe und Kampf erreichen; auch wird der wirkliche Fortschritt, den er macht und dessen er sich bewußt wird, ihn nicht mit Eigendünkel und Selbstgefälligkeit erfüllen, denn wenn sein Ideal erhaben ist und sein Fortschritt echt, wird er sich eher demütiger fühlen als aufgeblasen. Die Möglichkeiten zu noch weiterem Fortschritt und das Erkennen noch höherer Daseinsebenen, die sich vor ihm eröffnen, werden seinen Eifer nicht dämpfen, aber alle Eitelkeit werden sie in 1 hm sicherlich ertöten. Gerade diese Erkenntnis der ungeheuren Möglichkeiten im Leben des Menschen ist aber auch notwendig, um ihn aus seinem Gelangweilt sein aufzuwecken und seine Apathie in waches Interesse zu verwandeln. Sobald das Ziel des Lebens klar wird und seine wunderbare Möglichkeiten gewürdigt werden, wird das Leben so um seiner selbst willen lebenswert.
Der direkteste und sicherste Weg zum Erreichen dieser höheren Ebene ist die Pflege des Grundsatzes der Selbstlosigkeit, sowohl im Denken als auch im Leben. Eng fürwahr ist der Spielraum einer Schau, die sich nur auf das eigene Ich begrenzt und alle Dinge nach dem Grundsatz des Eigennutzes mißt, denn solange die Seele so ich begrenzt ist, ist es für sie unmöglich, irgendein erhabenes Ideal zu erfassen oder sich einer höheren Daseinsebene zu nähern. Die Voraussetzungen für einen solchen Fortschritt liegen mehr innen als außen und sind glücklicherweise von seinen äußeren Lebensumständen unabhängig. Es ist daher jedem die Möglichkeit geboten, von einer Höhe des Daseins zur nächsten fortzuschreiten und so mit der Natur zur Erreichung des offensichtlichen Zieles des Daseins zusammenzuarbeiten.
Wenn wir glauben, daß der Zweck des Lebens bloß darin liegt, unser materielles Ich zufriedenzustellen und es ihm behaglich zu machen, wenn wir glauben, daß materieller Wohlstand das höchste Maß möglichen Glückes verleiht, dann verwechseln wir Hohes mit Niedrigem und halten eine Täuschung für Wahrheit. Unsere materielle Lebensweise ist eine Folge der materiellen Zusammensetzung unserer Körper. Wir sind „Erdenwürmer“, weil wir mit all unseren Wünschen an der Erde haften. Wenn wir uns fähig machen würden, einen Entwicklungspfad zu beschreiten, durch den wir weniger materiell und mehr ätherisch würden, so könnte eine Kultur von wesentlich anderer Art aufgebaut werden. Dinge, welche heute unentbehrlich und notwendig erscheinen, würden aufhören, nützlich zu sein; wenn wir unser Bewußtsein mit Gedankenschnelle von einem Teil der Erdkugel zum anderen verlegen könnten, würden die derzeitigen Nachrichtenmittel nicht mehr erforderlich sein. je tiefer wir in das Materielle versinken, desto mehr materielle Hilfsmittel benötigen wir zu unserer Bequemlichkeit; das Wesentliche, der machtvolle Gott im Menschen jedoch ist nichts Materielles, er ist unabhängig von den Beschränkungen, die dem Stoff auferlegt sind.
Was also sind die wirklichen Notwendigkeiten des Lebens? Die Beantwortung dieser Frage hängt vollkommen davon ab, was wir für notwendig halten. Eisenbahnen, Dampfschiffe u.dgl. sind heute für uns eine Notwenigkeit, und doch haben Millionen von Menschen lange Zeit glücklich gelebt, ohne etwas von dergleichen Dingen zu wissen. Für einen Menschen mögen ein Dutzend Paläste eine unentbehrliche Notwendigkeit sein, für den anderen ist es ein Wagen, für den dritten eine Pfeife und so fort. Aber alle diese Notwendigkeiten sind nur solche, die der Mensch selbst geschaffen hat. Sie machen den Zustand, in dem der Mensch sich jetzt gerade befindet, für ihn angenehm, und verführen ihn dazu, in diesem Zustand zu verweilen und nichts Höheres zu erstreben. Sie können seine Entwicklung sogar hemmen, statt sie zu fördern. Alles Materielle muß aufhören, eine Notwendigkeit für uns zu sein, wenn wir wirklich geistig fortschreiten wollen. Es ist das Begehren nach und die Vergeudung von Gedankenkraft auf die Vermehrung der Freuden des niederen Lebens, was den Menschen daran hindert, in das höhere Leben einzutreten.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben I

Lerne, dass es keine Heilung gibt für Begehren, keine Heilung für den Wunsch nach Belohnung, keine Heilung für das Elend des Verlangens, es sei denn, du richtest Auge und Ohr fest auf das, was unsichtbar und lautlos ist.
Der Mensch muss daran glauben, dass ihm die Kraft innewohnt, fortzuschreiten. Er darf nicht gestatten, dass seine größere Natur ihm Schrecken einflößt, er darf sich nicht von seinem geringeren stofflichen Ich nach rückwärts ziehen lassen.
Die ganze Vergangenheit zeigt, dass Schwierigkeiten keine Entschuldigung für Niedergeschlagenheit oder gar Verzweiflung sind, sonst würde die Welt heute ohne die vielen Wunder der Zivilisation sein. Mut und Kraft, vorwärts zu schreiten, das ist die vorderste Notwendigkeit für den, der seinen Pfad gewählt hat. Wo sind sie zu finden? Blick umher, es ist nicht schwer zu erkennen, woher andere Menschen ihre Kraft nehmen. Ihre Quelle ist feste und tiefe Überzeugung.
Sei enthaltsam, weil es recht ist, enthaltsam zu sein, nicht, um dich selbst rein zu erhalten.
Wer mit sich selbst kämpft und diesen Kampf gewinnt, vermag dies nur dann zu vollbringen, wenn er weiß, daß dieser Kampf, den er führt, das einzige Ding ist, das zu tun der Mühe wert ist.
„Widerstehe nicht dem Übel“ – das bedeutet: beklage dich nicht und fühle keinen Zorn über die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten des Lebens. Vergiss dich selbst – in der Arbeit für andere. Wenn Menschen uns schmähen, verfolgen oder uns Unrecht tun, weshalb Widerstand leisten? Durch unseren Widerstand schaffen wir nur noch größere Übel.
Jede unmittelbar gegenwärtige Arbeit, welcher Art immer sie sein mag, hat an uns den absoluten Anspruch der Pflicht und ihre verhältnismäßige Wichtigkeit oder Unwichtigkeit darf von uns überhaupt nicht in Betracht gezogen werden.
Das beste Heilmittel gegen ein Übel ist nicht die Unterdrückung, sondern das Ausmerzen des Begehrens, und dieses können wir am besten erreichen, wenn wir unser Denken beständig in göttliche Dinge tauchen. Das Wissen des Höheren Selbstes wird uns weggenommen, wenn wir unserem Verstand gestatten, über jenen Dingen zu brüten oder mit Gefallen bei ihnen zu verweilen, die den ungebändigten Sinnen entsprechen.
Unsere eigene Natur ist so niedrig, eitel und ehrgeizig, so erfüllt von ihren Begierden, Vorurteilen und Meinungen, dass sie rettungslos zugrunde gehen würde, wenn sie nicht Versuchungen in Schranken halten würden; darum werden wir versucht, damit wir uns selbst kennen lernen und demütig sind. Wisse, dass es die größte Versuchung bedeutet, keine Versuchungen zu erleben, und darum sei froh, wenn sie über dich kommen und widerstehe ihnen entsagend, friedvoll und standhaft.
Sei dir klar darüber, dass du nichts für dich selbst tun darfst, dass dir aber bestimmte Pflichten von der Gottheit auferlegt sind, die du erfüllen musst. Suche Gott selbst und nicht Dinge, die ergeben kann! Was zu tun ist, muss getan werden, aber nicht, um die Früchte des Tuns zu genießen. Wenn wir alle Handlungen in der festen Überzeugung ausführen, dass sie für uns selbst von keinerlei Wert sind, sondern dass wir sie nur ausführen, weil sie einfach ausgeführt werden müssen – mit anderen Worten, weil es in unserer Natur liegt, tätig zu sein -, dann wird die ichsüchtige Persönlichkeit in uns schwächer und schwächer werden, bis sie schließlich ganz stille wird und jener Erkenntnis Raum gibt, die das wahre Selbst offenbart und es in all seinem Glanz erstrahlen lässt.
Du darfst es weder einer Freude noch einem Schmerz gestatten, dich von einem einmal gefassten Entschluss abzubringen.
Solange der Meister dich nicht aufruft, bei ihm zu sein, verweile bei der Menschheit und wirke selbstlos für ihren Fortschritt. Das allein kann wahre Befriedigung bringen.
Wissen wächst in dem Maß, in dem man es gebraucht – das heißt: je mehr wir lehren, desto mehr lernen wir. Darum, du Sucher der Wahrheit, der du den Glauben eines kleinen Kindes hast und gleichzeitig den Willen eines Eingeweihten – gib von deinen Schätzen dem, der nichts hat, womit er sich erquicken könnte auf seiner Pilgerreise.
Ein Schüler muss klar erkennen, dass schon der bloße Gedanke an individuelle Rechte nur eine Wirkung der Giftigkeit der Schlange seines Ichs ist. Er darf nie einen anderen Menschen als eine Person betrachten, die er kritisieren oder verurteilen kann, noch darf er je seine Stimme erheben zur Selbstverteidigung oder um sich zu entschuldigen.
Niemand ist dein Feind, niemand ist dein Freund. Einer wie der andere ist dein Lehrer.
Du darfst nicht mehr arbeiten, um irgendeinen Vorteil zu gewinnen, sondern nur, um das Gesetz des Seins zu erfüllen, welches der gerechte Wille Gottes ist.

(HELENA PETROWNA BLAVATSKY)

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